Uns aber hat es GOTT offenbart durch Seinen Geist;
denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit.
(1. Korinther 2,10)
Anita Wolf: Ihr Leben
Anita Wolf wurde am 8. November 1900 als drittes Kind des Ehepaars Oskar und Ernestine Wolf in Greiz (Thüringen) geboren. Anitas Eltern hatten sieben Kinder, drei Mädchen und vier Buben, wovon aber drei schon als Kleinkinder starben.
Anita, mit Taufnamen Anna-Elisabeth, verlor in ihrem 16. Lebensjahr ihren Vater – von Beruf Getreidehändler – im dritten Kriegsjahr des Ersten Weltkrieges. Ihre Mutter verstarb – Anita hat dies öfters erwähnt – im dritten Kriegsjahr des Zweiten Weltkriegs. Ihre Eltern, der evangelischen Kirche angehörig, waren sehr kinderlieb, aber streng in der Erziehung. Besonderen Wert legten sie auf Gewissenhaftigkeit und ein religiöses Fundament. Anita hatte bis zu ihrem 14. Lebensjahr eine schöne Jugend. Ihre Eltern waren gut situiert, und das Geschäft ging recht erfolgreich. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs konnte ihr Vater bereits ein Lastauto für den Getreidegroßhandel kaufen. – Anitas Mutter stand der Kirche sehr nahe und tat vor allem nach Ende des Krieges viel Gutes, um die große Not zu lindern.
Anita war sehr tierliebend; eine besondere Zuneigung hatte sie zu Pferden. Ein von ihr gezeichnetes Pferdebild zeugt aber auch von ihrem künstlerischen Talent.
Eine innere Beziehung hatte sie zu Martin Luther. Der Vater ihrer Jugendfreundin war Burgmeister auf der Wartburg. Dadurch konnte sie vieles besichtigen, unter anderem auch Luthers Studierzimmer, wo er die Bibel in die deutsche Sprache übersetzt hatte. Gerade die Bibel erfuhr Anitas besondere Wertschätzung. Sie meinte später oft, wer an der Bibel vorbeigehe, der könne unsere Weltendzeit nicht verstehen.
Da ihre Mutter die Lorber-Werke besaß, kam Anita schon früh mit dem steirischen Mystiker in Kontakt. Zusammen besuchten die zwei Frauen des Öfteren auch Lorber-Vorträge in Dresden und Breslau.
1921 begegnete Anita in Berlin Leopold Engel, der den 11. Band des Großen Johannes-Evangeliums niederschreiben durfte. Zu dieser Zeit kamen auch öfters Lorber-Freunde nach Greiz zur Familie Wolf auf Besuch.
Mitte der dreißiger Jahre hatte Anita dann Probleme mit ihrer Gesundheit (Gallenleiden – Augen usw.). Sie musste am linken Auge operiert werden und hatte von da an eine sehr geschwächte Sehkraft.
Das Geschäft wurde 1939 geschlossen, und Anita ging dann bis 1942 in das Amtsgericht Greiz als Urkundenbeamtin. Anita war nie Mitglied der NSDAP – sie war sehr heimatverbunden, hatte aber eine große Abneigung gegen Brutalität und Parteiendiktatur.
1942 wurde sie kriegsdienstverpflichtet und für den Getreidehandel eingesetzt. Sie kam nach Russland, und ihre Dienststelle wurde der Wehrmacht unterstellt. In Russland bekam sie bald Kontakt zur dortigen Bevölkerung und konnte manche Not lindern, was sie sehr beliebt machte. Ebenso besuchte sie die dortige Kirche, sofern sie es zeitlich einrichten konnte. Selbst im hohen Alter waren Anita noch viele russische Redewendungen geläufig.
1945 flüchtete sie von Russland nach Niederösterreich und kam in der Nähe von Krems in russische Gefangenschaft. Als Frau musste sie aber dann doch nicht nach Sibirien, sondern kam auf das Gut »Bei der Bangermühle«, wo sie hart arbeiten musste – bei wenig Essen und oft großer Kälte im Winter, da es fast nichts zum Heizen gab.
Im Winter, so erzählte sie, während der Gefangenschaft bei einem schweren Gang voller Einsamkeit, Kälte und Windstille, hörte sie um sich ein sanftes Säuseln und dann deutlich die Worte: “Ich bin der ewig heilige UR – Ich bin der ewig Einzige und Wahrhaftige; sei getrost!”
1948, es war im Frühjahr, wollte Anita nach Deutschland fliehen. In der Nacht vorher hatte sie einen Traum: Sie sah zwei alte Leute, die auch im Lager waren, und hörte eine Stimme: “Wenn du diese beiden alten Menschen mitnimmst, kommst du durch.” Dies hörte sie deutlich. Am nächsten Morgen kam ein Pater, der seine Hilfe anbot. Zu viert gingen sie zu einem Autobus und fuhren ganz einfach nach Salzburg. Anita saß mit den ihr anvertrauten Menschen ganz hinten im Bus. Bei der Demarkationslinie zwischen russischer und amerikanischer Besatzungszone war eine sehr strenge Kontrolle. Anita hatte nicht einmal einen Ausweis, geschweige denn eine Bescheinigung, dass sie nach Salzburg dürfe. Sie betete: “Herr, hilf uns!” Alle mussten aussteigen. Als die Reihe an ihnen war, nahm Anita einen unbeschriebenen Zettel in die Hand und sagte auf Russisch: “Dokumente in Ordung – alte Leute sehr krank – alles chorascho.” Der Soldat sagte “Dobre” und ließ alle einsteigen.
Im Lande Salzburg hatte sie auch ein interessantes Erlebnis. Als in einem Ort nahe der bayerischen Grenze eine US-Streife alle Menschen kontrollierte, ging Anita schnell in einen kleinen Tabakladen und kaufte mit dem Rest ihres alliierten Geldes Zigaretten. Sie wusste eigentlich nicht wofür und wozu – sie rauchte ja nicht -, doch inzwischen gingen die amerikanischen Soldaten weiter. Als sie dann Einheimische dort fragte, wie sie wohl am besten nach Deutschland komme, sagte ein junger Mann: “Ich kenne mich hier gut aus und führe Sie über die Grenze.” Doch da waren noch die zwei alten Leute, was die Sache schwierig zu machen schien. Den jungen Mann störte dies aber nicht, und so ging die Flucht beim Morgengrauen los. Als Lohn erhielt der Fluchthelfer die Zigaretten, von denen er nur einige nahm. Die Grenze verlief im Wald, und als die amerikanischen Posten Wachablösung hatten, mussten diese Minuten genutzt werden.
Alles ging gut, und so fand Anita einen Bauernhof. Für die restlichen Zigaretten fuhr sie der Bauer auf den nächsten Bahnhof. Interessanterweise kam sie mit dem nächsten Zug bis München inmitten vieler Flüchtlinge ohne einen Pfennig Geld. Dort trennten sich Anita und die zwei alten Leute.
Anitas Ziel war das Saarland, wo eine Schwester von ihr wohnte. Jedoch ließen sie die Franzosen nicht über die Grenze, da sie keine Papiere besaß. In Hannover hatte sie noch einen Bruder, und so war die Stadt an der Leine ihr nächstes Ziel, das sie auch in Etappen erreichte.
Es war das Jahr 1948. In den Städten war die Not besonders groß. Anita bekam als »Ostflüchtling« in einer alten aufgelassenen Schule in der Bödekerstraße einen Raum. Dort lebte sie bis 1965.
In dieser schweren Zeit mit viel Hunger, Not und Kälte hatte Anitas Gesundheitszustand sehr gelitten. Da sie arbeitsunfähig war, bekam sie ein kleine Rente, jedoch sagte Anita oft, obwohl sie immer sehr bescheiden gelebt hatte: “Zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel!” Trotz dieser Not verspürte sie den inneren Drang, dass sie vieles niederschreiben müsse – aber nicht Kriegserlebnisse, sondern ihr wurden herrliche, geistige Offenbarungen gegeben.
1949 begann sie mit der Niederschrift des Hauptwerkes »UR-Ewigkeit in Raum und Zeit« sowie mit »Vier Marksteine aus dem Leben Jesu«. Dann folgten »Der Patriarch« und »Karmatha« (Offenbarung über die geistige Entwicklung Jakob Lorbers vor seiner Erdenmission).
1955 wurden im Urgemeinde-Verlag in Wiesbaden bei Karl und Anny Veit »Die vier Marksteine«, »Karmatha« und »Der Patriarch« zum ersten Male gedruckt.
Ein Jahr danach kam Josef Brunnader mit diesen Werken in Berührung und setzte sich umgehend mit Anita in Verbindung. Seinen Bemühungen ist es zu verdanken, dass im Jahre 1960 das Hauptwerk in dem idyllischen österreichischen Städtchen Weiz in der Nähe von Graz (Steiermark) gedruckt werden konnte. [Ihr Geburtsort GReiz, am Lebensende wohnhaft in Weiz bei GRaz]
Dieser Kontakt mit Josef wurde für Anitas weiteres Leben entscheidend. Nach mehreren Besuchen Anitas in Weiz (1958 bis 1965) hatte sich dort ein kleiner Freundeskreis gebildet (seit 1961 Vereinigung Treuhandgruppe e. V. – VTG). Zudem erinnerte die Landschaft um Weiz Anita sehr stark an ihre thüringische Heimat. All dies bewirkte, dass sie sich dort schnell sehr wohl fühlte.
In den Jahren 1963 bis 1964 zeichnete sich immer deutlicher die Tatsache ab, dass es auch für das Werk gut wäre, wenn Anita für ganz nach Weiz käme. Josef und Eleonore Brunnader hatten Anita schon früher angeboten, für immer zu ihnen zu kommen – doch es musste zuvor vieles geklärt werden, u. a. ob ihre kleine Rente nach Österreich überwiesen würde, denn mittellos wollte sie nicht sein. Und Josef setzte dann auch alles ein, um Anita nach Weiz zu holen. Nach großen Schwierigkeiten behördlicherseits konnte sie dann im September 1965 nach Weiz übersiedeln, wo sie bis zu ihrem irdischen Lebensende am 6. August 1989 verblieb.
Nach der Vereinsgründung hatte Anita notariell alle Rechte an ihren Büchern der Vereinigung Treuhandgruppe übergeben, die auch in den kommenden Jahren dann dafür sorgte, dass alle Werke Anitas gedruckt und verbreitet wurden.
In einer kleinen Weizer Druckerei wurde 1960 auf einer alten Setzmaschine noch im Bleisatz das Hauptwerk »UR-Ewigkeit in Raum und Zeit« in Großformat DIN A4 gedruckt. Es waren hierfür fast 1000 kg Blei notwendig. Nahezu jedes Jahr wurde ein Werk – manchmal auch zwei – gedruckt. Den Inhalt der Werke erhielt sie in der Regel intuitiv.
Beim Niederschreiben des »Gnadenbuchs«, der Entschlüsselung der Johannes-Apokalypse [“Die Offenbarung des Johannes”, das letzt Buch der Bibel, umfasst 22 Kapitel], wollte Anita von unserem himmlischen Vater wissen, ob auch alles bisher richtig niedergeschrieben worden sei – die oft sehr schweren Bilder geistig aufzuschlüsseln war nicht immer leicht. Zudem war Anita äußerst gewissenhaft. Nun kam plötzlich nichts mehr – aus. Einige Tage später, nach dem Abendgebet, hatte sie das Gefühl, dass nun doch wieder die Fortsetzung komme. In der Nacht hatte sie einen deutlichen Traum: Sie befand sich auf einem langen Flur und links und rechts waren insgesamt 22 Zimmer. Sie wollte ins erste Zimmer hinein – es war versperrt, ebenso das zweite. Erst beim 21. Zimmer konnte sie hineingehen, dann war der Traum zu Ende. Am nächsten Tag kam die Fortsetzung, aber nicht das 12. Kapitel, das an der Reihe gewesen wäre, sondern das 21. Anschließend folgten die Kapitel wieder der Reihe nach.
Immer wenn Anita von Freunden gefragt wurde, wie sie die Werke empfange, sagte sie ganz einfach: “Es kommt eben (intuitiv).” Sie schrieb das Empfangene direkt in die Schreibmaschine, nachher korrigierte sie nur noch alles orthographisch. Es habe auch keinen Sinn, sagte sie, irgend jemanden nachzuahmen, wie viele es tun, und dann behaupten, wie Jakob Lorber hörten sie Gottes Stimme im Herzen – wichtig sei, was uns gegeben werde und dass es da sei!
Anita hatte nichts übrig für zur Schau gestellte Demut und verabscheute das viele Gerede von der Liebe – was nützt es, das Wort »Liebe« in den Mund zu nehmen, und das tägliche Handeln ist nicht Zeugnis davon.
Anitas Wunsch war es, wenn sie älter und krankheitsanfälliger werde, in ein Alters- und Pflegeheim zu gehen. 1975 wurde in Weiz am Stadtrand in einer stillen Gegend ein sehr schönes Pensionistenheim errichtet. Da ihr Gesundheitszustand sich von Jahr zu Jahr verschlechterte – sie war insgesamt 17mal in ihrem Leben in einem Krankenhaus -, entschloss sie sich im September 1975, in dieses neue Heim überzusiedeln. Freunde aus Österreich und aus Australien halfen Anita monatlich bei der Finanzierung, ihre Rente allein hätte nicht ausgereicht.
Über die letzten Erdentage von Anita Wolf soll hier ein Auszug aus dem Rundbrief an alle Leser ihrer Werke wiedergegeben werden, den Josef Brunnader zu ihrem Todestag geschrieben hat: “Am Freitag, dem 4. August 1989, waren zwei liebe Neuoffenbarungsfreunde aus der Schweiz und ein NO-Freund aus Deutschland in Weiz. Samstag, den 5. August, besuchten wir nach einer Vereinbarung unsere liebe Anita um 10 Uhr vormittags im Pensionistenheim. Anita war überraschend frisch und erklärte viele geistige Fragen, wie auch ihre Flucht aus der Gefangenschaft nach dem 2. Weltkrieg 1948. Um Anita nicht zu sehr zu belasten, wollten wir nach einer halben Stunde wieder gehen – doch zu unserem Erstaunen sagte sie, wir sollten ruhig noch bis kurz vor 11 Uhr bleiben, denn dann gebe es das Mittagessen im Heim. Für Sonntag vereinbarten wir einen Besuch bei ihr für 15 Uhr. Leider kam es dazu nicht mehr. Sonntag, den 6. August, wurde ich vom Heim angerufen, dass Frau Wolf um 0.30 Uhr gestorben sei. – Die feierliche Beisetzung und Verabschiedung erfolgte Mittwoch, den 9. August 1989, am Weizberg. Es war sicher auch kein Zufall, dass die Trauerfeier eine Frau gehalten hat. Es war das erste Mal, dass in Weiz und Umgebung eine Frau Pfarrer die Aussegnung vornahm. – Nun hat unsere liebe Anita in der Heimat Jakob Lorbers, in der grünen Steiermark bei ihren Freunden in Weiz, ihre letzte Ruhestätte für diese Welt gefunden. Anita ging nun in die ewige Lichtheimat – doch auf dieser Welt lebt ihre Gottesoffenbarung weiter, und viele Tausende von NO-Freunden sind zutiefst davon beglückt und viele werden noch zu diesen wunderbaren Werken geführt werden, und niemand kann GOTTes Wirken verhindern, denn alles, was von GOTT kommt, hat Ewigkeitswert.”
Ihre letzte irdische Ruhestätte befindet sich in Weiz/Steiermark auf dem Friedhof neben der Basilika am Weizberg. Das Grab befindet sich links unterhalb der Kirche in der obersten Abteilung des Friedhofs auf der rechten Seite.